Merinowolle – Ist der Hype wirklich gerechtfertigt?

Kleidung aus Merinowolle liegt vor allem bei Outdoor-Sportlern im Trend. Die Wolle des Merinoschafes wärmt und kühlt, kratzt nicht und hat weitere gute Eigenschaften. Bei Tierfreunden ist die Wolle aufgrund des Mulesings ins schlechte Licht gerückt.

Wir erklären Ihnen, worauf Sie beim Kauf achten sollten, um Mulesing-freie Merinowolle zu erhalten. Außerdem erfahren Sie im Ratgeber, wie Merinowolle gewonnen wird und welche Vor- und Nachteile sie mit sich bringt.

Woher stammt Merinowolle?

Merino Schaf
Merino Schaf

Merinowolle ist die Wolle der Merinoschafe. Diese Schafrasse gilt als widerstandsfähig und stammt aus dem Atlasgebirge Nordafrikas. Die Wolle der Tiere hat sich an die extremen Wetterbedingungen des Gebirges angepasst. So kommen sie sowohl mit Temperaturen von minus 20 Grad Celsius als auch mit Hitze bei 35 Grad oder mehr zurecht. 

Was ist das Besondere an Merinowolle?

Das Besondere an Merinowolle sind die Eigenschaften. Sie sind der Grund, weshalb viele renommierte Hersteller diese Wolle für die Herstellung von Funktionskleidung nutzen. 

Merinowolle kratzt nicht

Die Wolle der Merinoschafe setzt sich aus stark gekräuselten, weichen und feinen Haaren zusammen. Ein Haar hat eine Faserstärke von 16,5 bis maximal 24 Mikron. Ein Mikron entspricht einem Tausendstel Millimeter.

Andere Wollfasern sind doppelt so dick wie die Fasern der Merinowolle. Bei Kontakt mit Haut kräuseln sich die Merinofasern, während sich die Fasern von dickerer Wolle nur wenig krümmen.

Aufgrund des Kräuselns reizen die Fasern von Merinowolle kaum die Nervenenden der Haut. Somit kratzt die Wolle nicht auf der Haut, sondern wird als angenehm weich empfunden.

Merinowolle wärmt bei kaltem Wetter

Merinowolle weist eine sehr gute Isolationsfähigkeit auf, denn sie besteht aus rund 85 Prozent aus Luft. Die wellenförmigen, feinen Haare liegen locker aufeinander. Dazwischen entstehen Luftkammern und Luft isoliert gegen Wärme und Kälte.

Die Luftpolster sorgen dafür, dass die Körperwärme des Trägers nicht entweicht. Darüber hinaus leiten die Fasern aufgrund der Kräuselung kaum Wärme ab, weil sie nur wenige Berührungspunkte mit der Haut haben. 

Merinowolle kühlt bei warmem Wetter

Warum kühlt Merinowolle bei Wärme? Dazu muss man einmal die Eigenschaften des menschlichen Körpers betrachten. Er sondert Schweiß bei körperlicher Anstrengung oder bei hohen Umgebungstemperaturen ab, um die Körpertemperatur zu regulieren und den Körper abzukühlen.

Diese Funktion wird von Merinowolle unterstützt. Sie verstärkt die kühlende Wirkung, denn der isolierende Effekt der Luftpolster kommt auch bei warmen Temperaturen zur Geltung.

Darüber hinaus sind die Fasern der Merinowolle aufgrund ihrer Struktur in der Lage, Feuchtigkeit schnell zu binden. Feuchtigkeit oder Nässe werden durch kleine Kanäle in das Innere der Faser transportiert. Die Oberfläche der Fasern ist wasserabweisend und bleibt trocken. Selbst wenn die Wolle sehr viel Feuchtigkeit im Inneren der Fasern aufgenommen hat, fühlt sie sich trocken an. 

Dieser „Feuchtigkeitsspeicher“ gleicht Schwankungen von Feuchtigkeit der Umgebung aus. Ist die Umgebungsluft warm oder heiß, verdunstet die Feuchtigkeit im Faserinneren an der Außenseite der Merinowolle.

Die Wassermoleküle benötigen Energie, um vom flüssigen in den gasförmigen Zustand überzugehen. Diese Energie entziehen sie den Fasern der Merinowolle, wodurch die Fasern abkühlen. Gleichzeitig kühlen die Haut und der Körper des Trägers ab. 

Merinowolle wärmt ebenfalls in feuchtem Zustand

Ein Kleidungsstück aus Baumwolle klebt im feuchten Zustand auf der Haut. Bei einem Shirt aus Synthetik entsteht ein fröstelndes Gefühl, wenn es feucht wurde. Kleidung aus Merinowolle wärmt im feuchten Zustand, weil die Fasern in der Lage sind, Feuchtigkeit zu absorbieren.

Bei der Aufnahme von Feuchtigkeit entwickelt sich eine sogenannte Absorptionswärme. Das bedeutet, dass sich Merinofasern erwärmen, wenn sie Feuchtigkeit aufnehmen. 

Merinowolle ist schmutz- und wasserabweisend

Die Oberfläche der Merinofasern verfügt über Lanolin. Dieses Wollfett ist schmutz- und wasserabweisend. Ein Teil des Fettes wird zwar bei der Wollverarbeitung ausgewaschen, aber es bleibt ein Rest bestehen, der wie eine Schutzschicht wirkt.

Gerüche und Schmutz dringen nicht in die Fasern ein, sondern bleiben an der Oberfläche hängen. Wassertropfen können ebenfalls nicht ins Faserinnere gelangen, weil sie wegen der Kräuselung der Wolle einfach abperlen. 

Merinowolle entwickelt keinen unangenehmen Geruch

Schweiß beginnt erst dann an unangenehm zu riechen, wenn die Hautbakterien mit der Zersetzung der Einzelteile anfangen. Für die Bakterien ist Schweiß Nahrung. Deshalb vermehren sie sich vor allem in feucht-warmen Bereichen wie in der Achselhöhle. Setzen sich die Hautbakterien und Schweiß auf der Kleidung ab, fangen sie an zu stinken. 

Bei Kunstfasern mit ihrer glatten Oberfläche können Bakterien und Schweiß gut halten. Die Oberfläche der Merinofasern ist schuppig, sodass sich die Bakterien nicht anhaften können.

Zudem führt die schnelle Feuchtigkeitsaufnahme der Fasern dazu, dass die Hautbakterien keine Chance erhalten, Schweiß in seine Einzelteile zu zersetzen. Des Weiteren kann sich durch die wasserabweisende Oberfläche kein feuchtes Klima entwickeln und Feuchtigkeit ist für das Wachstum der Bakterien notwendig.

Merinowolle – Vor- und Nachteile

Die vielen Vorteile machen Kleidungsstücke sowie Decken aus Merinowollen so beliebt:

  • Kratzt nicht
  • Kühlt und wärmt
  • Schmutz- und wasserabweisend
  • Entwickelt keinen unangenehmen Geruch
  • Wärmt auch in feuchtem Zustand
  • Schützt vor UV-Strahlen
  • Weist ein geringes Gewicht auf
  • Ist schwer entflammbar

Es gibt jedoch ein paar Nachteile. Zum Beispiel sind Kunstfasern oder andere Naturfasern reißfester und robuster als Merinofasern. Außerdem sind Textilien aus Merinowolle schwerer als Kleidungsstücke aus Kunstfasern. Erstere weisen zudem ein größeres Packmaß auf. Kleidung aus Merinowolle benötigt eine längere Trockenzeit und sensible Menschen empfinden dennoch ein kratzendes Gefühl. Diese Nachteile werden von den meisten Herstellern mit Mischgewebe kompensiert. Sie kombinieren Merinowolle mit Kunstfasern oder anderen Naturfasern. 

Merinowolle kaufen – die wichtigsten Entscheidungsmerkmale

Beim Kauf von Textilien aus Merinowolle sollten Sie vor allem auf drei Faktoren achten:

  1. Anteil an Merinowolle bei Mischgewebe
  2. Mulesing-freie Wolle
  3. Preis

Qualität bei Mischgewebe

Bei einem Kleidungsstück aus Mischgewebe sollten Sie darauf achten, wie hoch der Anteil an Merinowolle ist. Manche Hersteller möchten mit der Verwendung von Mischgewebe nicht die Nachteile von Merinowolle beseitigen, sondern lediglich die Kosten reduzieren.

Achten Sie darauf, dass der Anteil an Merinowolle wesentlich höher als der von Kunstfasern oder anderen natürlichen Fasern ist. Wurde nur wenig Merinowolle verwendet, sind die positiven Eigenschaften kaum spürbar.

Ist die Gewinnung der Merinowolle Tierquälerei?

Die Haltung der Merinoschafe und das sogenannte Mulesing halten viele Menschen davon ab, Textilien aus dieser Wolle zu kaufen. In Neuseeland und Australien haben die Züchter mit Myasis zu kämpfen.

Das ist eine für die Schafe tödlich endende Krankheit, die durch den Befall von Fliegenmaden verursacht wird. Die Maden fressen die Tiere förmlich von innen auf. Im Sommer legen die Fliegen ihre Eier in den Hautfalten der Afterregion ab. 

Um das zu verhindern, wenden die meisten Hersteller von Merinowolle das Mulesing an. Wenn die Lämmer etwa acht Wochen alt sind, schneidet man ihnen ohne Betäubung die Hautfalten an der Vulva, am Schwanz und im Afterbereich ab. Damit die tellergroßen Wunden vernarben und somit kein Haar mehr an diesen Stellen wächst, müssen sie ohne  weitere Behandlung abheilen. 

Für die Tiere ist das ein traumatisches und sehr schmerzhaftes Erlebnis. Man könnte alternativ die Hautfalten im Afterbereich regelmäßig scheren und die Schafe regelmäßig untersuchen. Da diese Methode jedoch mit höheren Kosten und höherem Zeitaufwand verbunden ist, wendet ein Großteil der Produzenten das Mulesing an. 

Übrigens haben Merinoschafe von Natur aus wesentlich weniger Hautfalten. Mehr Hautfalten bringen einen höheren Ertrag und deshalb wurden Schafe mit mehr Falten gezüchtet. 

Es gibt jedoch genügend Hersteller, die Mulesing-freie Wolle verwenden. Das erkennen Sie unter anderem an dem MAPP-Zertifikat oder dem ZQUE-Siegel. Die Merino-Industrie Neuseelands führte diese Siegel ein. Die Zertifikate garantieren, dass die Schafe von der Prozedur des Mulesings verschont bleiben. Ortovox und Icebreaker sind Marken, bei denen der Verbraucher zurückverfolgen kann, woher die Wolle stammt.

Merke: Da das Problem des Befalls mit Fliegenmaden ausschließlich in Neuseeland und Australien besteht, ist Merinowolle stets Mulesing-frei, wenn sie aus anderen Ländern stammt.

Im Punkt Nachhaltigkeit liegt Merinowolle selbstverständlich vor Kunstfasern. Bei Kunstfasern dient Erdöl als Basis und dazu sind viel Energie und eine Menge Chemikalien notwendig.

Darüber hinaus dauert es rund 30 Jahre, bis sich Kunstfasern zersetzt haben. Sie können Kleidung aus Merinowolle im Grunde im Garten eingraben und nach etwa 90 Tagen als Kompost verwenden. Bei der Herstellung von Merino-Textilien sind keine chemischen Zusätze nötig. Außerdem müssen Sie aufgrund des selbstreinigenden Effekts der Fasern Ihre Textilien aus Merinowolle nur selten waschen.

Preis von Textilien aus Merinowolle

Von sehr günstigen Produkten aus Merinowolle sollten Sie lieber Abstand nehmen, denn bei diesen Artikeln ist damit zu rechnen, dass die Wolle nicht Mulesing-frei ist.

Bei Textilien aus Mischgewebe sollten Sie ebenfalls auf den Preis achten. Hochwertige Produkte weisen in der Regel einen hohen Anteil an Merinowolle auf, während bei günstigen Artikeln oftmals der Anteil an Kunstfasern überwiegt. Sie können trotzdem sparen: Im Online-Handel sind Textilien aus Merinowolle in der Regel zum günstigeren Preis zu bekommen. 

Wie muss ich Merinowolle richtig waschen?

In der Regel können Sie Merinowolle in der Waschmaschine bei 30 bis 40 Grad Celsius waschen. Achten Sie jedoch immer auf die Waschangaben des Herstellers. Verwenden Sie ein pH-neutrales Wollwaschmittel. Das Waschmittel sollte frei von Protease sein. In Merinowolle befindet sich Keratin, das möglicherweise von Protease aufgespalten werden kann. Das hätte Wollfraß zur Folge.

Darüber hinaus sollten Sie weder Weichspüler noch Bleichmittel nutzen. Trocknen Sie die Produkte aus Merinowolle an der frischen Luft. Dazu legen Sie die Textilien über einen Wäscheständer. 

Eine ausführliche Anleitung sowohl für Handwäsche als auch für die Waschmaschine findet ihr hier: Merinowolle richtig waschen

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